TYPO3 vs. Neos

Was sind die Vor- und Nachteile der beiden Content-Management Systeme, wo liegen die Unterschiede in den Funktionen und welches eignet sich am besten für Ihr Projekt?

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Dieser Artikel erschien ursprünglich am 07.09.2018 und wurde zuletzt am 10.12.2021 aktualisiert.

Gleich vorab gesagt: ein pauschales Urteil, welches Content-Management System (CMS) das beste ist, lässt sich kaum fällen. Ob TYPO3, WordPress, Neos, Pimcore, Joomla, Drupal oder proprietäre Systeme, entscheidend für die Systemauswahl sind immer die individuellen Anforderungen des Projekts, die gewünschten Redaktionsprozesse und die langfristigen Betriebs- und Wartungskosten.

Neben den klassischen, monolithischen CMS-Anwendungen (wie die oben genannten), die sowohl eine Benutzeroberfläche für die Bearbeitung der Seiten, als auch das serverseitige Rendering des HTMLs (meist initial zur Laufzeit, dann aus dem Cache) anbieten, beobachten wir eine starke Tendenz zur Entkoppelung von Front- und Backend – z.B. mittels Headless CMS in Kombination mit einer Frontend-Anwendung (React, Next.js und ähnlichen). Diese werden wir in einem künftigen Artikel separat betrachten.

Im Folgenden vergleichen wir TYPO3 und Neos primär auf funktionaler Ebene.

TYPO3 CMS – das „deutsche“ Phänomen

Das Open Source CMS TYPO3 ist bei Kunden und Agenturen insbesondere in Deutschland besonders beliebt. Weltweit ist TYPO3 relativ unbedeutend. 

TYPO3 wurde 1997 von Kasper Skårhøj, einem dänischen Entwickler, programmiert und ist damit ein Dinosaurier der CMS-Branche. Konzeptionell steht es exemplarisch für den klassischen CMS-Ansatz, der bis heute weit verbreitet ist: eine MySQL-Datenbank für die Inhalte, die über eine PHP-Anwendung (das Backend) einfach im Browser gepflegt wird und mit einer Templatesprache und einigen Tools eine flexible Ausgabe des HTMLs im Frontend ermöglicht.

Eine große Entwickler-Community kümmert sich um die aktive Weiterentwicklung von TYPO3. In den letzten Jahren wurden hinsichtlich der Codebasis, verwendeter Frameworks und Bibliotheken (Symfony und Doctrine), der Kompatibilität (PSR/PHP-FIG) und der Benutzerfreundlichkeit für Redakteure große Meilensteine erreicht – und TYPO3 gewinnt seitdem auch über Deutschland und Europa hinaus Bekanntheit.

Neos – der Herausforderer

Als Open Source „Content Application Platform“ ist Neos aus dem TYPO3-Projekt heraus entstanden. Ursprünglich als TYPO3 Version 5 gedacht, haben die Entwickler im Laufe der Zeit stark von TYPO3 abweichende Konzepte entwickelt, sodass sich Neos abgespalten und als eigenständiges Projekt etabliert hat.

Neos legt den Fokus auf die User Experience des Redakteurs. Vollständiges Frontend Editing ermöglicht echtes What-You-See-Is-What-You-Get (WYSIWYG) – und damit die visuelle Erstellung und Bearbeitung von Seiten und Inhalten.

Technologisch ist Neos fortschrittlich, verwendet zwischenzeitlich eine Benutzeroberfläche auf React-Basis, den CKEditor 5 für die Textbearbeitung, volle Unterstützung von PHP 7 und PHP 8 und natürlich Composer für die Paketverwaltung. In Entwicklung befindet sich ein „Event-Sourced Content Repository“, mit dem Änderungen verschiedener Redakteure leichter zusammengeführt und nachvollzogen werden können.

Funktionsumfang von TYPO3 und Neos

Hier ein Überblick über den Funktionsumfang der beiden CMS. Ein „–“ bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Funktion überhaupt nicht möglich ist. Allerdings ist diese Funktion entweder sehr schwach ausgeprägt, es ist eine Individualentwicklung nötig oder es lässt sich nur umständlich oder unflexibel lösen.

 TYPO3Neos
Inhalte und Struktur
Seitenbaum und Inhaltselementejaja
Verschachtelung von Inhaltenmit Extensionja
Mehrspaltige Inhaltemit Extensionja
Individuelle Inhaltselementejaja
Textformatierungjaja
Frontend-/Inline-Editingrudimentär,
mit Extension
ja
Zeitsteuerung von Inhaltenjaja
Zugriffssteuerung von Inhaltenja
Kategorisierung und Tagsjaja
Medien
Dateiverwaltungjaja
Pflege von Metadatenjaja
Integration von Drittsystemen (Dropbox, ...)mit Extensionmit Extension
Auslieferung über CDN möglichmit Extensionmit Extension
Zugriffsbeschränkung von Dateienja
Bildausschnitt wählbarjaja
Moderne Bildformate (z.B. WebP)mit Extensionja
Mehrsprachigkeit
Mehrsprachige Seiten und Inhaltejaja
Content-Fallback möglicheine Ebenemehrere Ebenen
Regionalisierung zusätzlich zur Spracheja
Import und Exportmit Extensionmit Extension
Mehrsprachiges Backend / UIjaja
Suchmaschinenoptimierung (SEO)
Sprechende URLsja, seit 9.5ja
Meta-Keywords und -Beschreibungjaja
Twitter Cards und OpenGraph-Tagsja, seit 9.5ja
Canonical URL- und Hreflang-Tagsja ja
XML-Sitemapja, seit 9.5ja
Erweiterte Funktionen
Nachrichten / Blogmit Extensionindividuell
Veranstaltungenmit Extensionindividuell
Verlauf / Rückgängig von Änderungenja
Planer zur Zeitsteuerungjamit Extension
Einfache Suchfunktionmit Extensionmit Extension
Suche mit Apache Solrmit Extension
Suche mit Elasticsearchmit Extension
Integration Google Analytics, Matomo etc.mit Extensionmit Extension
Komponentenbasiertes Renderingmit Extensionja
Freigabeprozesse
Arbeitsumgebungen für Entwürfejaja
Persönliche Arbeitsumgebungenja
Änderungsprüfung und Freigabejaja
Administration und Benutzer
Mehrere Websitesjaja
Mehrere Domains und Domainhandlingjaja
Benutzerverwaltungjaja
Rollenzuweisung zu Benutzernjaja
Detaillierte Zugriffsrechteverwaltungjamit Extension
Integration von Drittsystemen (LDAP, OAuth, ...)mit Extensionmit Extension
Performance und Betrieb
Apache/NGINX, PHP 7/8, MySQL/MariaDBjaja
Flexibles Cachingjaja
Cloud-readyjaja
Loggingjaja
CLI (Command Line Interface)mit Extensionja
Composer-readyjaja
Schnittstellen
XML/CSV Import und Export mit Extensionja
REST API für Seiten und Inhalteja
GraphQL API für Seiten und Inhaltemit Extension
Integration von Drittsystemen (PIM, ERP, ...)individuellindividuell

Anwendungsgebiete für TYPO3 und Neos

Obige Funktionsübersicht zeigt, dass sich beide CMS sehr gut für die gängigen Anwendungsszenarien, auch im Enterprise-Umfeld (komplexe Websites mit mehreren Geschäftsbereichen, viele Sprachen, Inhalte und Benutzer), eignen – die Unterschiede liegen im Detail und lassen sich sehr oft über vorhandene Extensions lösen.

Es gibt allerdings einige Anforderungen, für die wir Empfehlungen aussprechen:  

Verwenden Sie TYPO3 CMS, wenn …

  • viele Redakteure mit unterschiedlichsten Benutzerrechten an der Website arbeiten werden und diese Rechte im Backend granular konfiguriert werden sollen
  • eine komplexe Intranet-/Extranet-Anwendung geplant ist und dynamisch Zugriffsrechte auf Seiten, Inhalte und Dateien vergeben werden sollen
  • Sie schon bisher TYPO3 verwenden und möglichst viele Inhalte einfach übernehmen möchten

Verwenden Sie Neos, wenn …

  • die Benutzerfreundlichkeit, gerade für unerfahrene Redakteure, wichtig ist
  • eine flexible Strukturierung und Ausgabe von Seiten und Inhalten gewünscht ist (siehe unseren Blog-Artikel zum Thema Content Modelling)
  • echtes Multichannel (von Google AMP und Facebook Instant Articles bis hin zu Neos als Headless CMS für Print und Apps) und zielgruppenspezifische oder regionalisierte Inhalte im Vordergrund stehen

Updates und Support-Aufwand

Für den stabilen und langfristigen Betrieb von Websites und Webanwendungen ist eine regelmäßige Aktualisierung des CMS wichtig, damit Bugfixes schnell eingespielt und Sicherheitslücken geschlossen sind. Diese Minor-Updates sind bei TYPO3 und Neos einfach erledigt, da beide Systeme zur Paketverwaltung Composer verwenden und mit wenigen Befehlen aktualisiert werden können.

Anders verhält es sich bei großen Versionssprüngen, den Major-Updates (z.B. von TYPO3 9 auf 10). Hier unterscheiden sich die beiden CMS, je nach Grad der Individualisierung und der verwendeten Extensions. 

Während ein Update prinzipiell immer möglich ist (wir haben schon sehr alte TYPO3 4.x-Instanzen schrittweise auf TYPO3 11 aktualisiert), lehrt die Erfahrung, dass dies bei TYPO3 teilweise sehr aufwändig werden kann – immer dann, wenn sich verwendete Schnittstellen zu TYPO3-Funktionen (Template-Engine, Datenbank, TCA, Scheduler-Tasks, Form Framework und andere Core APIs) ändern. Und selbst individuelle Inhaltselemente sind bei TYPO3 programmatisch umgesetzt und können Anpassungen nötig machen.

Hier spielen der deklarative Ansatz und die unglaublich stabile API von Neos ihre Stärke aus: Versions-Upgrades sind mit Neos in den meisten Fällen einfach und mit deutlich weniger Code-Anpassungen möglich. Für Breaking-Changes werden meist Datenbank- und Code-Migrationen mitgeliefert.

Individuelle Beratung bei der CMS-Auswahl

Planen Sie den Einsatz von TYPO3, Neos, Pimcore oder einem anderen CMS? Sind Sie sich noch unsicher, welches System sich für Ihre Anforderungen eignet? Wir helfen Ihnen gerne.

In jedem Digitalprojekt stehen für uns Ihre Ziele im Vordergrund. Gemeinsam klären wir daher zu Beginn in einem Workshop die Anforderungen, sowohl strategisch und inhaltlich, aber natürlich auch technisch und funktional. Und evaluieren damit die projektspezifischen Vor- und Nachteile der in Frage kommenden CMS, um für Sie die geeignete Lösung zu finden.

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